Wer war die Königin von Bosnien?

Beim Einzug König Sigismunds in Konstanz in der Weihnachtsnacht 1414 wurde der König von verschiedenen hochgestellten Frauen begleitet. Die geheimnisvollste unter ihnen ist die „Königin von Bosnien“. Wer war diese Dame? 


Richental schreibt dazu: 

„[…] und darzu mit im die aller durchlüchtigost fürstin, frow Barbara, römische künigin sin eliche frow, geborn gräfin von Zili, und mit ir die durchlüchtig fürstin frow Elisabeth künigin von Wossten, und och mit ir die geboren fürstin frow Anna von Wirtemberg, geborn ain burggräfin von Nüwenberg. Un kam mit dem Künig der durchlüchtig kurfürst hertzog Ludwig von Sachßen.“ 

Hierzu schreibt Thomas Martin Buck[1], dass mit der Württembergerin Elisabeth, „eine Tochter des Burggrafen Johann III. von Nürnberg“ gemeint ist. 

Wer aber ist die Königin von Wossten (=Bosnien)? 

Hermann Heimpel[2] schreibt: „Richental nennt die Anna von Bosnien: „Elisabeth“, und die Elisabeth von Württemberg: „Anna“ – was die Herausgeber gläubig hinnehmen.“ 

Helmut Maurer[3] schreibt: „Am heiligen Abend war die Hofgesellschaft, nämlich König Sigmund, Königin Barbara, deren Schwester Königin Anna von Bosnien, Gräfin Elisabeth von Wirtemberg, Kurfürst Rudolf von Sachsen […]“. 

Dagegen schreibt Walter Brandmüller[4]: „Im Gefolge des Königs befanden sich Königin Barbara, Königin Elisabeth von Bosnien und Herzogin Anna von Württemberg, sowie Kurfürst Ludwig von Sachsen.“ 

Alois Niederstätter[5] schreibt: „[…] in Begleitung seiner Gattin Barbara, einer geborenen Gräfin von Zilli, der Königin Elisabeth von Bosnien, der Anna von Württemberg, eine geborene Burggräfin von Nürnberg, sowie des Kurfürsten Herzog Ludwigs von Sachsen […]“. 

Joerg Hoensch[6] schreibt: „Auf dem Schiff von Überlingen kommend, traf er mit seiner Gemahlin Barbara und der Königin Elisabeth von Bosnien um zwei Uhr morgens ein.“ 

Joseph von Aschbach[7] schreibt: […] die bosnische Königin Elisabeth, Twartko´s Gemahlin und die gleichnamige Gräfin von Würtemberg, eine Schwester der Burggrafen Friedrich und Johann von Nürnberg […]“. 

Aschbach erwähnt in diesem Zusammenhang die Geschichte Württembergs von Sattler[8], der Elisabeth als Gräfin von Württemberg nennt. 

Zum Schluss noch Gerrit Jasper Schenk[9]: „[…] begleitet von seiner Frau Barbara, deren Schwester Anna (Garai: „von Bosnien“), seiner Nichte Gräfin Elisabeth von Württemberg, Kurfürst Herzog Rudolf III. von Sachsen-Wittenberg […]“. 

 

Interessant ist, dass kein Autor seine Zuschreibungen begründet. Fakt ist, dass es 1414 keine amtierende Königin von Bosnien gab, die den Namen Anna oder Elisabeth trug. Die plausibelste Version ist meines Erachtens folgende:

 

Unterstellt, dass Richental die Vornamen verwechselt, ergäbe sich für die Königin von Bosnien der Name Anna. Im näheren Umfeld von Königin Barbara gibt es ihre Schwester Anna[10], die mit Miklos Garai verheiratet war, einem engen Gefolgsmann von König Sigismund. Miklos Garai war auch Ban (in Kroatien und in den Gebieten des heutigen Bosniens und Serbiens so etwas wie ein Vizekönig) von Teilen Bosniens, faktisch Herr über diese Gebiete. Er und seine Frau Anna waren auch bei der Krönung Sigismunds in Aachen 1414 anwesend und Miklos Garai begleitete den König auf dem Weg nach Konstanz.[11] Hier hätten wir also unsere „Königin von Bosnien“!

 

 



[1] Richental, Ulrich von; Buck, Thomas Martin (2010): Chronik des Konstanzer Konzils 1414-1418. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, S 22

[2] Heimpel, Hermann (1995): Königlicher Weihnachtsdienst auf den Konzilien von Konstanz und Basel. In: Hermann Heimpel: Aspekte. Alte und neue Texte. Hg. v. Sabine Krüger. Göttingen: Wallstein Verl., S. 101–131, S. 105

[3] Maurer, Helmut (1996): Vom Konzil bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. 2., überarb. Aufl. Konstanz: Stadler (Konstanz im Mittelalter, 2), S. 36

[4] Brandmüller, Walter (1999): Das Konzil von Konstanz 1414-1418. Bis zur Abreise Sigismunds nach Narbonne. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage (Konziliengeschichte / A, 1), S. 176

[5] Niederstätter, Alois (1993): Ante Portas. Herrscherbesuche am Bodensee 839-1507. Konstanz: Universitätsverlag Konstanz, S 128

[6] Hoensch, Jörg K. (1996): Kaiser Sigismund – Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit 1368-1437. München, S. 196

[7] Aschbach, Joseph von (1838ff ND 1964): Geschichte Kaiser Sigmunds. 4 Bände. Aalen. Bd. 2, S. 36

[8] Sattler, Christian Friedrich (1764): Allgemeine Geschichte Würtenbergs und dessen angränzender Gebiethe und Gegenden, nach den merkwürdigsten Veränderungen in Staats-Kirchen und Burgerlichen Wesen : Alles mit nöthigen Documenten bewiesen und mit vielen Kupfern gezieret. Frankfurt (3), S. 58

[9] Schenk, Gerrit Jasper (2001): Sehen und gesehen werden. Der Einzug König Sigismunds zum Konstanzer Konzil 1414 im Wandel von Wahrnehmung und Überlieferung (am Beispiel von Handschriften und frühen Augsburger Drucken der Richental-Chronik). In: Franz Mauelshagen und Benedikt Mauer (Hg.): Medien und Weltbilder im Wandel der Frühen Neuzeit. 2. Aufl. Augsburg: Wißner (Documenta Augustana, 5), S. 71–106, S. 78

[10] Anna († nach 23. Juni 1438), ∞ 1405 Miklos Garai (* um 1367; † 1433); beides Töchter von Hermann von Cilly.

[11] Dvaorakov S. 9