Ein Bischof flieht aus Konstanz

Weidlich bekannt ist die Tatsache, dass Johannes Hus während des Konstanzer Konzils verbrannt wurde. Dem gingen mehrere Monate Gefängnisaufenthalt, Verhöre, öffentliche Aussprachen und Verhandlungstage des Gerichtes voraus. Hus war im November 1414 nach Konstanz gekommen, um in freier Disputation seine theologischen Thesen vertreten zu können. Er wog sich in Sicherheit aufgrund eines Geleitbriefes von König Sigismund, der ihm unbehelligten Aufenthalt in Konstanz inklusive freier Abreise zusicherte. Die Konzilsvertreter jedoch vertraten die Position, dass ein Versprechen, also auch ein Geleitbrief, gegenüber einem der Ketzerei Verdächtigen nicht gültig sei. Schließlich war Johannes Hus schon als von der Kirche Gebannter nach Konstanz gekommen.

Einige Wochen vor Hus´ Reise nach Konstanz jedoch wurde über ihn in Prag ein ganz anderes Urteil gefällt, und zwar nicht von irgendjemandem, sondern vom päpstlichen Inquisitor Nikolaus Wenceslai höchstpersönlich! Wenceslai war Titularbischof von Nazareth und stellte Johannes Hus so etwas wie ein Zeugnis aus (testimonium), in welchem er ihn als „wahren Katholiken und Gläubigen“ bezeichnete. So kam es, dass der Inquisitor mit dem bemerkenswerten Spitznamen „Cum daemone“ sich Ende 1414 in Konstanz wiederfand, und zwar – man höre und staune – im Gefängnis! Vor den Richtern und der versammelten Theologenschar revidierte er daraufhin sein Urteil über Hus und bezichtigte ihn der Ketzerei. So „wurde durch die Eingebung Gottes aus einem Engel des Satans ein Engel des Lichts“, wie es in einem zeitgenössischen Kommentar heißt.

Allerdings schien Wenceslai die Situation dennoch zu ungewiss und gefährlich: Er entwich „heimlich“ aus dem Gefängnis und entschwand nach Prag. Dann verlieren sich seine Spuren in der Geschichte.

Merke: Auch ein Inquisitor ist vor der Inquisition nicht sicher.